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Kreismännertag: Sorgende Männer, Sorgen um Männer

21.11.2022

Vor rund 80 Männern sprach Landesmännerpfarrer Martin Treichel in der evangelischen Kirche in Burbach.
Vor rund 80 Männern sprach Landesmännerpfarrer Martin Treichel in der evangelischen Kirche in Burbach.

Dass mehr Männer als Frauen in deutschen Gefängnissen sitzen, wird die wenigsten überraschen. Beim Kreismännertag am Samstag in Burbach ließ Landesmännerpfarrer Martin Treichel die Teilnehmer raten, wie genau das Verhältnis ist. „80 zu 20 Prozent“, lautete die erste Schätzung aus dem Publikum, „70 zu 30“ die zweite. Als ein Teilnehmer „98 zu 2“ vermutete, erntete er Gelächter – und lag dennoch am nächsten an der Realität: 94 Prozent der Gefängnisinsassen in Deutschland sind Männer, nur sechs Prozent Frauen. Beim Kreismännertag, dem jährlichen Treffen von Vertretern kirchlicher Männergruppen aus dem gesamten Gebiet des Evangelischen Kirchenkreises Siegen, ging es in diesem Jahr um das Thema „Sorgende Männer, Sorgen der Männer, Sorge um Männer“. Eine Erkenntnis: Nicht immer sorgen Männer gut für sich selbst und bereiten damit Gesellschaft und Umfeld mitunter so manche Sorgen.

Landesmännerpfarrer Martin Treichel sprach über „Sorgende Männer, Sorgen der Männer, Sorgen um Männer“
Landesmännerpfarrer Martin Treichel sprach über „Sorgende Männer, Sorgen der Männer, Sorgen um Männer“

Belege für diese These fand Landesmännerpfarrer Treichel, der als Referent vor den rund 80 angereisten Teilnehmern in der evangelischen Kirche in Burbach sprach, im Buch „Was Männer kosten“ des Wirtschaftswissenschaftlers Boris von Heesen. Demnach sind 75 Prozent aller Alkoholiker männlich, der sogenannte Idiotentest für Verkehrssünder wird zu 99 Prozent von Männern besucht und drei Viertel aller Suizide werden von Männern begangen. „Ungesunde männliche Verhaltensweisen machen manchmal Angst, schaden Männern und anderen und verursachen Kosten für das Gemeinwesen“, brachte Treichel die Statistiken auf den Punkt. Die Ursache sieht der Theologe in den Männlichkeits-Bildern, die in der Gesellschaft vorherrschen und mit denen Jungen und Mädchen aufwachsen: „Viele Männer, gerade der älteren Generation, sind geprägt davon, dass Arbeit, Leistung und Funktionieren ganz große Werte im Männerleben sind. Weniger gut gelernt haben wir, über unsere Sorgen und Probleme zu reden.“ Gerade in jüngeren Generationen gebe es ein Umdenken – doch die alten Rollenbilder entfalteten zum Teil weiterhin ihre Wirkung.

Kooperation statt Konkurrenz

Die kirchliche Männerarbeit versucht laut Treichel, Orte zu schaffen, bei denen es nicht um Leistung, Kraft und Funktionieren geht. Etwa bei Hüttenwanderungen für Männer, bei denen es um das solidarisch-fürsorgliche Unterwegssein als Gruppe gehe – und eben nicht darum, wer zuerst ankommt und das meiste Bier trinkt. Oder mit Angeboten für Väter und Kinder, die junge Männer ermutigen, ein enges Verhältnis zu ihren Söhnen oder Töchtern zu pflegen. „Mir steht ein Männlichkeitsbild vor Augen, bei dem wir weniger in Konkurrenz und Abgrenzen leben, sondern in Kooperation“, betonte Treichel.

"Sorgende Männer" im Interview

  • Der junge Erzieher Dominik Meiswinkel erzählte im Gespräch mit Männerreferent Jürgen Haas aus seinem Beruf.

  • Reiner Dirlenbach berichtete im Gespräch mit Kreismännerpfarrer Christoph Dasbach von der Pflege seiner demenzkranken Frau.

  • Der Gefängnisseelsorger Lother Schulte (links) erzählte aus seiner Arbeit in der JVA Attendorn.

Dass es durchaus Männer gibt, die dieses Männerbild leben und im positiven Sinne für andere Menschen sorgen, zeigten Interviews im Anschluss an den Vortrag. Kreismännerpfarrer Christoph Dasbach und Jürgen Haas, südwestfälischer Referent für Männerarbeit, sprachen mit drei „sorgenden Männern“. Darunter war der junge Erzieher Dominik Meiswinkel, der nicht nur selbstverständlich eine aktive Vaterrolle für seine zwei eigenen Kinder einnimmt, sondern als Erzieher auch beruflich Kinder betreut. Dabei sei ihm wichtig: „Ich traue mich, meine Gefühle zu zeigen und auch mal zu weinen – auch vor den Kindern oder meinen Kolleginnen.“ Gefängnisseelsorger Lothar Schulte wiederum berichtete, dass er sich für seine Arbeit in der Justizvollzugsanstalt Attendorn wünsche, dass die dort inhaftierten Männer stärker bereit seien, sich selbst zu reflektieren und erforschen. Viele begegneten seinen Angeboten zunächst mit Misstrauen. Eindrücklich war auch der Bericht von Reiner Dirlenbach. Er pflegt seit Jahren – und mittlerweile mit Unterstützung durch einen Pflegedienst – seine an Demenz erkrankte Frau zu Hause. „Ich mache das gerne, es macht mir nichts aus – sie ist schließlich meine Frau“, sagte er. Sein Tipp: „Man soll offen darüber reden.“ Unter anderem seinem offenen Umgang mit der Demenz seiner Frau schreibt Dirlenbach es zu, dass sich Nachbarn oder Freunde nicht distanziert hätten, sondern ihn unterstützten. Sich offen austauschen, Freundschaften und Netzwerke pflegen – dafür bot denn auch der Kreismännertag Gelegenheit, der mit einem gemeinsamen Mittagessen im Burbacher Gemeindehaus endete.

Mehr Informationen zur landeskirchlichen Männerarbeit unter www.maennerarbeit-westfalen.de

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