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Ohnmacht, Stille und Gesang
Friedensgebet mit Superintendent Stuberg

11.3.2022

Schweigend betreten die Sängerinnen und Sänger die Martinikirche, in ihren Händen kleine Kerzen. Eine nach der anderen zünden die Mitglieder des Collegium vocale sie an einer großen Kerze an, die direkt vor dem Kreuz auf dem Abendmahlstisch steht. Anschließend verteilen sie die Kerzen auf dem Tisch und dem Taufbecken: kleine Lichter, entzündet am größeren Licht des Kreuzes von Jesus, der von sich gesagt hat, dass er das Licht der Welt ist. „Mit diesem Bild eröffnen wir unser Friedensgebet“, sagte Superintendent Peter-Thomas Stuberg am Donnerstagabend in der Siegener Martinikirche, „wohl wissend, dass es nicht das letzte bleiben wird.“ Vor mehr als zwei Wochen griff Russland die Ukraine an, viele Gemeinden im Evangelischen Kirchenkreis Siegen haben seitdem zu Friedengebeten eingeladen und tun dies auch weiterhin. Das Gebet am Donnerstag gestaltete Superintendent Stuberg zusammen mit dem Collegium vocale des Bachchors unter Leitung von Kreiskantor Peter Scholl. Gut 50 Menschen waren in die Martinikirche gekommen, um gemeinsam für die Ukraine zu beten, zu singen und zu schweigen.

„Nützt das was?“ – diese Frage stelle sich angesichts der Bilder von Tod und Verwüstung mit Blick auf Friedensgebete, sagte Stuberg. Und schob gleich seine zweigeteilte Antwort hinterher: Ein ehrliches „Ich weiß es nicht“ und im selben Atemzug die Hoffnung, dass Gebet sehr wohl Veränderung bringen kann – eine, die innerlich wirkt und sich vielleicht erst mit der Zeit entfaltet. „Im Gebet betritt man einen anderen Raum, man tritt vor Gott als die höchste Instanz“, sagte der leitende Theologe des Kirchenkreises. Man lasse sich korrigieren, bitte um Vergebung und Erbarmen. „Das Beten, es dämpft jede Kriegsrhetorik“, betonte Stuberg. Es suche nach dem Weg der kleineren Schuld in einer Situation, in der man sich angesichts von Fragen nach Waffenlieferungen und Sanktionen nur schuldig machen könne – „auch wenn wir stillschweigen“. Der Betende richte seinen Blick auf Gottes Plan von „Schalom“ – was oft schlicht als „Frieden“ übersetzt wird, im biblischen Sinne aber auch die Bedeutung von Heil, Wohlergehen und Unversehrtheit umfasst.

 

Nicht immer könne und müsse man beim Beten Worte finden, sagte der Superintendent. Manchmal könne man nur schweigen, seufzen, stöhnen. Und so bot das Friedensgebet in der Martinikirche Raum für Stille und zum Innehalten. Das Collegium vocale fand mit Musik von Mendelssohn Bartholdys „Verleih uns Frieden gnädiglich“ bis hin zu Knut Nystedts „Peace I leave with you“ noch mal ganz eigene, berührende Töne für Klage, Hilfslosigkeit und die Sehnsucht nach Frieden. Manchmal bleibe es nur, die eigene Ohnmacht zu benennen, sie schmerzlich auszuhalten und gleichzeitig zu hoffen, dass sich noch eine Möglichkeit für den Frieden auftue, beantwortete Superintendent Stuberg schließlich seine eingangs gestellte Frage nach dem Nutzen von Gebeten. „Viel ist das nicht“, sagte er. „Wenig aber auch nicht.“

 

Bild oben:

Das Collegium vocale und Superintendent Peter-Thomas Stuberg (vorne rechts) gestalteten das Friedensgebet.

 

Text und Fotos: Jasmin Maxwell-Klein

 

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